Das Wu DÈ
Das Wu Dé ist ein Regelwerk, welches im Shaolin Tempel von allen Schülern gelernt wird. Es ist ein wichtiges moralisches Gerüst für alle, die die Kampfkünste studieren.
Der Shaolin Tempel Deutschland ist ein direkter Ableger des Songshan Shaolin Klosters in China. Das hier vorliegende Wu Dé ist die Übersetzung von dem, welches im Tempel in China gelehrt wird.
Wir würden uns freuen, wenn sich andere Schüler der Kampfkünste auch mit dem Wu Dé beschäftigen und sich die dort beschriebenen Tugenden aneignen würden.
Die erwarteten Tugenden:
Barmherzigkeit
Selbstbeherrschung
Bescheidenheit
Cí Bei - Barmherzigkeit
Die Barmherzigkeit ist eine wichtige Eigenschaft des menschlichen Charakters – eine barmherzige Person öffnet ihr Herz fremder Not – und ist eine der Haupttugenden und Pflichten des Buddhismus wie auch des Wu Dé, die es zu kultivieren gilt.
Im Buddhismus wird die Barmherzigkeit üblicherweise als Mitgefühl bezeichnet und ist im Kern das Ergebnis meditativer Einsicht und Erlebens. Voraussetzung dafür ist die Achtung vor dem Leben, da diese zur Achtung vor Mitmenschen führt. So hat der wahre Kämpfer, wenngleich sein Körper einer gefährlichen Waffe ähnelt, dennoch ein friedvolles, barmherziges Herz.
Zì Zhì - Selbstbeherrschung
Selbstbeherrschung ist notwendig für einen Kämpfer und für einen Meister, um sich niemals zu einem unnötigen Kampf provozieren zu lassen, um einen unausweichlichen Kampf zu gewinnen und um im Ernstfall das notwendige Maß der Selbstverteidigung niemals zu überschreiten.
Selbstbeherrschung ist aber auch beim Erlernen der Kampfkünste unabdingbar, um diese überhaupt meistern zu können.
Nur mit strenger Disziplin und Unnachgiebigkeit gegen uns selbst können wir das Beste aus uns herausholen und das höchste Ziel erreichen.
Qian Xu - Bescheidenheit
Bescheidenheit zeichnet einen Schüler der Kampfkünste im Shaolin Tempel aus. Prahlerei ist ihm fremd. Er bringt den Lehrern und den Leitern des Tempels Respekt entgegen und ordnet sich in die Hierarchie des Tempels unter. Er übernimmt die Aufgaben, die ihm zugedacht werden, und führt sie mit all seiner Kraft aus. Alles was er tut, tut er mit ganzem Herzen.
Bescheidenheit befähigt ihn dazu, sich niemals zu überschätzen und seinen Gegner niemals zu unterschätzen.
Die zu erlernenden Tugenden
Der Shaolin Tempel erwartet von seinen Schülern, dass diese im Besitz verschiedener Tugenden sind oder sich diese im Laufe ihrer Ausbildung auf dem Weg zum Meister aneignen. Diese allgemeinen Tugenden unterscheiden wir in die „Tugenden der Handlung“, die man nach außen trägt, und die „Tugenden des Geistes“, die man im Inneren trägt.
Die Tugenden der Handlung:
Qian Xu Demut
Demut kann nur entstehen, wenn man bereit ist, seinen Stolz zu kontrollieren und manchmal auch zu überwinden. Die Befriedigung der eigenen Wünsche ist nicht über alles andere zu stellen.
Meisterschüler des Shaolin Tempels stellen die Bedürfnisse und Erfordernisse des Tempels über ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse.
Zun Jìng - Achtung
Achtung ist die Grundlage aller Beziehungen zu Menschen, Tieren und allen Dingen. Dazu gehört auch die Achtung vor sich selbst.
Im Umgang mit allen Dingen soll ein Schüler Respekt zeigen. Wer keinen Respekt zeigt gegenüber den Lehren und der Leitung des Shaolin Tempels, wird von ihnen auch nicht weiter in den Künsten voran gebracht werden.
Achtung zeigt sich auch in der Einhaltung der Regeln und der Etikette. Das ist die Basis, auf der die Gemeinschaft des Shaolin Tempels funktioniert.
Zhèng Yì - Rechtschaffenheit
Rechtschaffenheit ist eine Lebenseinstellung und besagt, dass man das was man für richtig hält, auch tut und das, was man für nicht richtig hält, auch nicht tut. Hierbei sind kulturelle und gesellschaftliche Maßstäbe nicht so entscheidend, wie der Respekt vor allen Menschen und Wesen und ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein.
Verantwortung für die eigenen Handlungen zu übernehmen, wird von jedem Shaolin Schüler erwartet.
Xìn Yòng - Vertrauen
Vertrauen umfasst auch, vertrauenswürdig zu sein und sich selbst vertrauen zu können. Jeder Shaolin Schüler sollte eine Persönlichkeit entwickeln, der man vorbehaltlos vertrauen kann. Vertrauen ist die Basis jeder echten Freundschaft.
Vertrauen ist auch die Basis der Gemeinschaft des Shaolin Tempels. Die Schüler sollen ihren Lehrern und Meistern und der Leitung des Tempels vertrauen, und die Leitung des Tempels und die Meister müssen den Schülern vertrauen können.
Zhong Chéng - Loyalität
Loyalität ist die Basis von Vertrauen und jeder Beziehung innerhalb der Gemeinschaft des Shaolin Tempels. Loyalität ist unter Umständen die wichtigste aller Tugenden der Handlung.
Loyalität bedeutet, sich zu den Werten des Shaolin Tempels zu bekennen.
Die Tugenden des Geistes
Yì Zhì - Wille
Ein wichtiges Ziel des Shaolin Tempels ist es, bei seinen Schülern durch die Kampfkünste einen starken Willen zu entwickeln. Das ist notwendig, damit der Schüler seine Ziele nicht aus den Augen verliert und intensiv die Künste studiert.
Ein eiserner Wille, den zu haben von Vorteil ist, darf jedoch nicht zum Nachteil der anderen Angehörigen des Tempels oder des Tempels selbst eingesetzt werden. Er sollte auch nicht anderen Menschen zum Nachteil gereichen.
Ren Nài - Ausdauer
Ausdauer bedeutet, unablässig zu üben und zu trainieren. Das gilt sowohl für die physischen als auch für die mentalen Fähigkeiten, die der Schüler im Shaolin Tempel entwickelt.
Ausdauer ist notwendig, um sich in der Kunst und in allen Dingen zu verbessern. Ein Angehöriger des Shaolin Tempels hört niemals damit auf, mit Ausdauer an sich zu arbeiten.
Yì Lì - Beharrlichkeit
Beharrlichkeit bedeutet, auf das Ziel hinzuarbeiten, etwas zu erlernen. Beharrlichkeit ist es, die den Schüler dazu befähigt, immer wieder zu versuchen, Fehler zu korrigieren und einmal Erlerntes immer wieder auf Fehler zu untersuchen, um diese zu vermeiden.
Beharrlichkeit ist es, die einen Shaolin Schüler niemals darin müde werden lässt, sich zu verbessern.
Nài Xin - Geduld
Geduld ist die Tugend, die den Schüler befähigt, auch dann weiterzumachen, wenn er den Sinn dessen, was er tut, noch nicht erkennt und wenn ihm das Ziel unerreichbar erscheint. Geduld ist es, die ihn befähigt, ständig an seinem Fortschritt zu trainieren, auch wenn man ihn noch nicht erkennen kann und solange an sich zu arbeiten, bis er wahre Meisterschaft erreicht.
Geduld ist eine der wichtigsten Tugenden für den Schüler, um richtig und korrekt zu lernen und für den Lehrer, um den Schüler anzuleiten und ihm das Wissen mit Sorgfalt richtig zu vermitteln.
Yong Gan - Mut
Mut ist notwendig, um die Kampfkünste zu erlernen und um in schwierigen Situationen richtig zu handeln. Schüler des Shaolin Tempels arbeiten beständig an ihrem Mut.
Dieser Mut ist aber nicht mit dem blinden Mut zu verwechseln, der seinen Ursprung in unkontrollierten Gefühlen, Dummheit oder Angst hat. Mut bedeutet nicht die Abwesenheit von Angst, sondern das Überwinden derselben.
Bodhidharma brachte nach seiner 9-jährigen Meditation neben dem Chan (Zen)-Buddhismus, dem Shaolin Kung Fu und einigen Qi Gong-Übungen auch das Wu Dé in das Shaolin Kloster.
Diese Regeln waren und sind es noch heute eine wichtige Grundvoraussetzung zum Lernen und dem verantwortungsvollen Umgang mit den Kampfkünsten. Sie sichern das Kontrollieren und Bestehen eines reinen Herzens, ohne dass man in den Kampfkünsten nicht voranschreiten kann.
*Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Shaolin Tempels Europa in Berlin!